Jack Hardy - Songwriter aus New York
Von Andrew C. Revkin
Jack Hardy macht es sich in einem Ledersessel im engen Wohnzimmer seines Greenwich Village-Appartements bequem. Aufmerksam lauscht er dem halben Dutzend Liederleuten, die ihre neuen Songs vortragen. Einigen ist anzuhören, daß sie noch nicht ausgearbeitet sind. Andere Lieder klingen schon ziemlich ausgefeilt. Alle sind jedoch nicht älter als eine Woche. Das ist nämlich die Grundregel bei den seit nunmehr 16 Jahren von Jack Hardy veranstalteten Singer/Songwriter-Treffen.
Jack Hardy – mit seiner schmächtigen Stimme, elfenhaft und eigensinnig – ist ein oder zwei Jahrzehnte älter als die meisten Anwesenden. Als er an der Reihe ist, stellt er eine neue Ballade vor, die von einem Jungen und dessen Traum von Piraten erzählt. Nach jedem Lied gibt es Beifall. Es wird jedoch nicht geklatscht, sondern nur mit den Fingern geschnalzt. Da werden Erinnerungen an Versammlungen zu Zeiten der Beat Generation wach, die unter ähnlichen Umständen in winzigen Wohnungen abgehalten wurden. Dann wird freizügig kritisiert. Dabei fließt der portugiesische Rotwein, den jemand mitgebracht hat.
Jede Woche, in der Regel montags, pilgern die Songwriter zu Jack Hardys Appartement in der Houston Street. Sie kommen nicht nur aus New York, sondern auch aus Boston und Philadelphia, um dieser Liedermacherrunde beizuwohnen, die nunmehr seit den späten siebziger Jahren an wechselnden Plätzen stattfindet.
Zu den Stars, die aus diesem Kreis hervorgegangen sind, gehören Shawn Colvin, Lyle Lovett, Tracy Chapman, Suzanne Vega
und und ...
Die regelmäßigen Treffen haben den Charakter einer Werkstatt für Künstler, die sich als Teil der modernen Folkmusik-Tradition fühlen, die in frühen sechziger Jahren entstand, in den frühen 80ern einen weiteren Höhepunkt hatte und heute so vor sich hindümpelt.
Jack Hardys Appartement entspricht ganz dem Bild vom Leben der Boheme im Künstlerviertel Greenwich Village. Angesichts der von Kerzenwachstropfen überlaufenen Weinflaschen, den vergilbten Fotos von Folkmusikern an der Wand, Stapeln von ramponierten LPs und der mit Gedichtbänden und Romanen vollen Regale kommt man sich vor wie auf einer Theaterbühne. In gewisser Weise stimmt das auch.
Jack Hardy kam Mitte der siebziger Jahre nach New York City. Zunächst war er auf der Suche nach der »Folkszene«, von der einst das Village verkündete. Dann machte er sich daran, sie
wiederzubeleben. Als Jack Hardy eintraf, waren Bob Dylan und andere Heroen des ersten Folkrevivals längst von der Szene verschwunden. In ihrem Gefolge hatte sich eine kommerziell orientierte
Folkmusik im Popgewand entwickelt, die von Künstlern wie James Taylor und Jackson Browne repräsentiert wurde. In den New Yorker Klubs waren Disco und Punk angesagt. Doch Jack Hardy trommelte die
verbliebenen Folkies, die noch in den Kaffeehäusern im Village verkehrten, zusammen und fing an, seine Musik zu machen.
»Während alle darüber klagten, daß es keine Auftrittsorte mehr gibt, niemanden, der einen bucht und keine Plattenfirma, die Interesse zeigt«, erinnert sich Richard Meyer, selber Liedermacher und langjähriger Freund Jack Hardys, »sagte Jack, 'Ok, dann schaffen wir uns eben einen eigenen Klub, treffen uns jede Woche und produzieren unsere Alben selbst'«. Aus der Idee entstand 1982 die Singer/Songwriter Co-op, aus der später das Fast Folk Musical Magazine wurde. Gerdes Folk City, das Cornelia Street Cafe und ein eigener Klub, das Speak Easy, zogen die Künstler in der Folgezeit wie ein Magnet an. Und in einer Mansarde in Brooklyn wurden die jeweiligen neuen Werke der Beteiligten mit einer Bandmaschine aufgenommen.
Veröffentlicht wurden sie dann allmonatlich auf LPs und später auf CD mit einer für die Folkszene ungewöhnlichen Regelmäßigkeit. Verbunden mit einem Magazin gingen sie an Läden, Radiostationen und Abonnenten. Rund 100 Masterbänder dieser Aufnahmen und das ganze Fast Folk-Archiv ist seit kurzem im Besitz der Smithsonian Institution. Dort ist geplant, die alten Platten in den nächsten Monaten auf einem eigenen Label, auf Smithsonian Fast Folk, wiederzuveröffentlichen.
»Die ganze Idee bestand darin, es wirklich schnell, eben ´fast´, herauszubringen«, erzählt Jack Hardy. »Du konntest einen Song bei einer open mike-Veranstaltung oder bei einem unserer Treffen hören, und zwei Wochen später wurde er bei einer Radiostation in Philadelphia oder Chicago gespielt.« Im Laufe der Jahre hat Hardy allerdings auch so manchen seiner Kollegen mit seinem autoritären Stil vergrätzt. So untersagte er beispielsweise den Künstlern bei den ersten Fast Folk-Konzerten wegen seiner Aversion gegen jede Form des Kommerzes, ihre eigenen Kassetten zu verkaufen. »Das hat allen mächtig gestunken«, erinnert sich David Massengill, ein Fast Folk-Pionier. »Er vergaß einfach völlig, daß wir nicht nur an unserer Karriere arbeiten wollten, sondern auch unseren Lebensunterhalt verdienen mußten.«
Andrew C. Revkin ist Mitarbeiter der Feuilletonredaktion der New York Times. (*Pied Piper, frei übersetzt "Der Rattenfänger" der Folkszene)
Kurt Gillé vom p.p. studio war Ostern 2008 als Freund mit Partnerin Vera zu Gast bei Jack Hardy und kam in den Genuss einer typischen Singer-songwriter session. Was der Autor der New York Times wohl nicht weiß: danach läuft man immer in den ältesten irischen Pub der Stadt und ...
(Rarität in New York - der Pup hat nur 1 Etage, siehe Bild unten)
Letzter Treff mit Jack und seinem Bruder Chris fand am 19.11.2010 vor-und nach dem Abschlusskonzert der Tournee 2010 im Laboratorium Stuttgart statt.
Discographie
Jack Hardy (Songwriter aus New York)